Pendler in Deutschland: Der Weg zur Arbeit wird immer weiter!
Wieder einmal gibt es neue Studien zu Pendlern in Deutschland – und sie sind zum wiederholten Male alarmierend! Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat im April 2018 eine neue Erhebung veröffentlicht, nach der der durchschnittliche Arbeitsweg von Arbeitnehmern zwischen den Jahren 2000 und 2014 um satte 22 Prozent länger geworden ist. Gleichzeitig belegt eine weitere Studie der Krankenkasse AOK: Weites Pendeln fördert die Entstehung psychischer Erkrankungen. Warum also nehmen so viele Menschen lange Arbeitswege und gesundheitliche Risiken in Kauf?
Deutschland ist einig Pendler-Land. 18,4 Millionen Menschen sind im vergangenen Jahr zwischen Wohnort und einem Arbeitsplatz in einem anderen Ort gependelt. Das entspricht ungefähr 60 Prozent der gesamten Arbeitnehmer in Deutschland. Die durchschnittliche Strecke, die ein Pendler dabei zurücklegt, ist zwischen dem Jahr 2000 und 2014 von 8,7 auf 10,4 Kilometer gestiegen, wie eine Erhebung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg jetzt ermittelt hat. Die Wissenschaftler des IAB definieren Pendeln so: „Für das Bundesamt für Bau-, Stadt- und Raumforschung sind es jene Beschäftigten, die in einer anderen Gemeinde wohnen, als sie arbeiten“, so die Forscher Wolfgang Dauth und Peter Haller in ihrer Publikation. Menschen verbringen tagtäglich sehr viel Zeit auf der Straße im Auto oder in der Bahn. Die große Preisfrage ist nun: Warum tun wir uns den täglichen Stress in überfüllten Zügen und das Stau-Chaos auf den Autobahnen an? Die Forscher geben hier eine klare Antwort.
Darum nehmen Pendler in Deutschland weite Distanzen in Kauf
Der Hauptgrund, warum Arbeitnehmer in Deutschland weite Strecken in Kauf nehmen, um zur Arbeit zu kommen, liegt an den steigenden Mieten in den Innenstädten der Metropolen. „Gerade in Großstädten sind die Mieten sehr stark gestiegen, so dass diese Beschäftigten eher in Vororten wohnen und in das Zentrum fahren müssen“, so die Forscher. Berufstätige wohnen heute immer häufiger nicht mehr im Zentrum, sondern in Vororten. Die Büros hingegen befinden sich in der Innenstadt. Dementsprechend müssen viele Menschen morgens ins Stadtzentrum pendeln und entsprechend am Abend wieder hinaus. Aber auch Pendelbewegungen zwischen Großstädten hätten zugenommen, so die Studie.
Massenphänomen: Pendeln an der Tagesordnung
10,4 Kilometer legen Arbeitnehmer im Schnitt zurück, um den Arbeitsplatz zu erreichen. Das sind satte 22 Prozent mehr als noch einige Jahre zuvor. Damals lag der Schnitt noch bei 8,7 Kilometern. Aus der Übersicht der Forscher geht hervor, dass die Anzahl derer, die weniger als zehn Kilometer zum Job pendeln, sogar stark zurückgegangen ist. Dafür sind Arbeitswege zwischen zehn und 50 Kilometern deutlich häufiger geworden.
Die Studie hat noch eine ganze Reihe weiterer Erkenntnisse gewonnen. Demnach pendeln Männer weiter als Frauen. Der Unterschied ist sogar ziemlich groß: Während Männer im Schnitt 12,5 Kilometer zurücklegen, sind es bei Frauen nur 8,8 Kilometer. Und niemand legt im Durchschnitt weitere Distanzen zurück als Männer mit Hochschulabschluss: 14,5 Kilometer sind es. Die deutschen Metropolen Berlin, Hamburg und München sind am Stärksten betroffen. Dort müssen die Berufspendler täglich die weitesten Distanzen aus dem Umland in Kauf nehmen. Jeder dritte Arbeitnehmer in München braucht länger als 45 Minuten zur Arbeit. Im Rheinland in Düsseldorf, sowie in Essen und Dortmund, hingegen müssen die Arbeitnehmer kleinere Distanzen bis zum Job in Kauf nehmen. Die Mehrheit der Pendler (zwei Drittel) fährt mit dem Auto.
Psychische Erkrankungen vor allem bei Fernpendlern
Eine weitere aktuelle Erhebung, die das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) kürzlich veröffentlicht hat, beleuchtet die Problematik mit dem Pendeln aus einer anderen Richtung. Laut der Studie nimmt die Zahl der Arbeitsunfähigkeitsfälle aufgrund psychischer Erkrankungen zu, je länger der tägliche Weg ins Büro ist. Der Studie zufolge hatten 11 von 100 AOK Mitgliedern, die maximal zehn Kilometer zur Arbeit fahren mussten, in 2017 Fehlzeiten aufgrund einer psychischen Erkrankung. Mussten sie 50 Kilometer zum Job zurücklegen, stieg die Zahl der Erkrankten bereits auf 12 von 100. Bei 500 Kilometer Arbeitsweg lag der Wert bei 12,6 Fällen. Die Diagnose „Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen“ (ICD F43) wurde bei den betroffenen Arbeitnehmern am häufigsten gestellt. Hierunter fallen depressive Verstimmungen, Ängste, Sorgen und das Gefühl, mit den alltäglichen Gegebenheiten nicht zurechtzukommen. Man kann hier einwenden, dass diese Symptome nicht unbedingt durch das Pendeln auftreten müssten.
Ein Hinweis darauf, dass die Erkrankungen auf den Arbeitsweg zurückzuführen sind, bietet jedoch der umgekehrte Versuch: Wenn Arbeitnehmer mit dem täglichen Langstrecken-Autofahren aufhörten, erholte sich ihre psychische Situation – unabhängig vom Job. “Lange Fahrstrecken zum Arbeitsort belasten die Psyche. Wird die Distanz zum Arbeitsort durch einen Wohnortwechsel verkürzt, kann die relative Wahrscheinlichkeit von Fehltagen aufgrund einer psychischen Erkrankung um bis zu 84 Prozent reduziert werden“, so Helmut Schröder vom AOK-Institut. Aus der Studie geht vor allem hervor, dass die täglich bis zum Büro zurückgelegte Strecke nach Möglichkeit unter 50 Kilometern pro Richtung liegen sollte. Dann steige laut der Studie die Zahl der Krankheitstage gegenüber einem Kurzpendler von 10 Kilometern deutlich weniger stark an als bei einer Fernpendlerstrecke von täglich über 50 Kilometern.
Wie lange setzt sich die Entwicklung bei Pendlern in Deutschland noch fort?
Das die Pendler-Wege immer weiter werden und die langen Fahrtstrecken mit psychischen Belastungen einhergehen, ist nichts Neues. Denn unterwegs drohen Staus und Konflikte mit anderen Verkehrsteilnehmern wie beispielsweise bei der Parkplatzsuche am Arbeitsort. Die aktuellen Studien zeigen lediglich, dass sich der Trend weiter fortsetzt und das Problem mit den zunehmenden Pendelbewegungen deutscher Arbeitnehmer sich weiter verschärft. Vermutlich wird sich diese Entwicklung solange weiter fortsetzen, wie die Mieten in den Großstädten exorbitant anziehen. Auf eine Entspannung des Wohnungsmarkts ist derzeit und auf absehbare Zeit nicht zu hoffen. Viele Arbeitnehmer, besonders mit Kindern, haben die stressige Großstadt auch bewusst verlassen, um im Grünen zu wohnen.
In jedem Fall scheint es an den Arbeitnehmern hängen zu bleiben, einen Ausweg aus der Misere zu finden. Wer seine Gesundheit schützen und weniger weit fahren möchte, dem stehen mehrere Optionen zur Verfügung. Natürlich besteht die Möglichkeit zu einem Umzug. Zudem könnten sich Arbeitnehmer eine andere Stelle suchen. Und drittens könnte mit dem Arbeitgeber – falls möglich – Home Office vereinbart werden. Wer sich durch das Pendeln belastet fühlt, sollte sich in jedem Fall darum bemühen, etwas an dieser Situation zu ändern.
3. Mai 2018
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Mein Freund fährt momentan jeden Tag mehrere Stunden zur Arbeit und wir haben schon überlegt, ob er für drei Nächte unter der Woche ein Zimmer zur Zwischenmiete suchen sollte. Ich finde es beruhigend, dass wir nicht die einzigen sind, die sich dieser Herausforderung stellen. 18,4 Millionen sind schon eine wirklich große Anzahl!