Bye, bye, airberlin: Eine Ära geht zu Ende!

Airbus von airberlin: Über die Zukunft der Fluggesellschaft wird derzeit verhandelt. Foto: Pixabay

Das Verhältnis zwischen den Flugreisenden und airberlin war schon immer etwas komplizierter: Die Fluggesellschaft ist der deutsche Anbieter, mit dem Millionen von Familien ab den neunziger Jahren jedes Jahr in den Urlaub geflogen sind. Mit kaum einer Airline haben wir im Laufe der Jahre so viele Höhen und Tiefen erlebt und sind doch immer wieder hoffnungsvoll als Kunden zurückgekehrt – eine wahre Hassliebe eben. Lange schon stand nun die Befürchtung im Raum, aber als die Meldung über die Insolvenz kam, war es doch ein kleiner Schock. Time to say goodbye, airberlin. Ein Kommentar von Sascha Tegtmeyer

Unser erster Flug mit airberlin datiert auf das Jahr 1998 zurück, also mittlerweile etwas weniger als 20 Jahre. Damals sind wir mit den Bordeauxroten Flugzeugen der rasant wachsenden, jungen und angesagten Airline in den Urlaub nach Mallorca geflogen. Was für ein unglaubliches Erlebnis! Die Boeing-737-Jets der Fluggesellschaft haben noch neu gerochen, weil sie frisch aus der Fabrik in Seattle kamen. Ein Hochgenuss für alle, die in den Neunzigern mit den angestaubten und muffigen Fliegern von Hapag-Lloyd auf Reisen gegangen sind. Nur wenige Jahre später war airberlin allgegenwärtig. Mit dem Motto „Urlaub. Shopping. Business“ und dem Aushängeschild Johannes B. Kerner hat sie dem Lokalmatador Lufthansa ordentlich Konkurrenz gemacht und hatte viele Strecken einfach günstiger im Angebot. Wer sparen und europaweit unterwegs sein wollte, hat Angebote bei airberlin gefunden. Und hat dann häufig die schönsten Tage des Jahres mit einem Flug dieser Airline begonnen. Auf Urlaubsinseln wie Mallorca reihten sich die Maschinen mit dem roten Logo wie Perlen aneinander, die die Touris von Mittelmeer zurück zu den deutschen Airports brachten, zu denen längst nicht nur der Flughafen München oder der Airport Leipzig-Halle gehörten, sind wirklich jeder noch so kleine Landeplatz der Republik. Und wirklich schlecht war das airberlin-Erlebnis anfangs auch nicht. Manchmal zumindest.

Das Nutzererlebnis war schon häufig frustrierend

Wer günstig in den Sommerurlaub fliegen wollte, schaute häufig zuerst auf der Website von airberlin nach. Pauschaltouristen wiederum wurden oft unfreiwillig in die Flieger gesteckt, weil die großen deutschen Touristikkonzerne ganze Flottenteile für ihre Kundschaft gechartert hatten. Die Berliner waren häufig einfach günstiger als der große deutsche Anbieter mit dem Kranich im Logo. Aber wer mit airberlin flog, brauchte manchmal eine ordentliche Frustrationstoleranz. Die Buchung auf der Website war häufig eine Katastrophe und daran hatte sich bis zuletzt nicht viel geändert. Bei airberlin passierten – zumindest nach meiner persönlichen Erfahrung – häufig Fehler. Bei mir wurde der Flugpreis einmal doppelt abgebucht – und um den Fehler zu beheben, hing man stundenlang in einer Warteschleife der Hotline und brauchte mehrere Anläufe, um so ein schwerwiegendes Problem irgendwie zu klären.

Von den vielleicht 50 Flügen, die ich mit airberlin im Laufe der Jahre angetreten bin, dürften ungefähr 30 Prozent bis die Hälfte verspätet gewesen sein. Am deutlichsten im Gedächtnis geblieben ist mir ein Flug, der nach Hannover umgeleitet wurde. Anstatt um 23 Uhr in Hamburg zu landen, wurde aus dem Heimflug eine nächtliche Busfahrt, die erst um 5 Uhr morgens endete. Schon danach hatte ich keine Lust mehr auf die rotweißen Flieger. Aber man kam ja doch irgendwie immer noch einmal wieder und gab den Berlinern eine neue Chance. Einer der letzten Flüge mit „AB“ war ein Gemeinschaftsflug mit dem airberlin-Anteilseigner Etihad nach Asien. Auf dem Rückflug beim Umsteigen in München hatte ich eine Frage zu meinem Ticket. Dort empfing mich eine Horde unheimlich unfreundlicher Service-Mitarbeiterinnen der Airline, die wohl bereits innerlich gekündigt hatten und waren so hilfsbereit. Das war Ende 2015 und danach bin ich endgültig ins Lufthansa-Eurowings-Lager gewechselt – trotz aller bis dato im Treueprogramm gesammelter Meilen. Fliegen mit airberlin war nie besonders gut. Aber häufig zumindest auch nicht besonders schlecht.

A321 von airberlin in Düsseldorf: Das Ende einer Ära. Foto: Sascha Tegtmeyer

Niemand braucht airberlin

Spätestens nach den Entgleisungen am Flughafen München war meine Zeit mit airberlin endgültig vorüber. Auf der Langstrecke habe ich lieber 100 Euro mehr investiert und bin mit Lufthansa in die USA oder zu anderen Fernzielen geflogen. Bei kürzeren Strecken ist Eurowings meistens ganz vorn mit dabei und bietet als Lufthansa-Billigtochter auch noch recht guten Service, verhältnissmäßig viel Beinfreiheit und die Buchung auf der Website funktioniert auch ganz ordentlich. Dementsprechend deutlich spricht mir auch der Kommentar von Jens Flottau in der Süddeutschen Zeitung aus der Seele: „Die Wahrheit ist: Niemand braucht Air Berlin“. Der Autor beschreibt darin die Pleite als Scheitern des Managements.

Und wenn ich mir meine eigene Nutzererfahrung mit dem Unternehmen in den letzten 19 Jahren so ansehe, kann ich der Süddeutschen nur voll und ganz zustimmen: „Air Berlin ist pleite. An dieser Neuigkeit ist, wenn man sich die Entwicklung der letzten Jahre in Erinnerung ruft, eigentlich nur ein Aspekt überraschend: Dass es so lange gedauert hat.“ Wenn man dann von den Urlaubern hört, die um ihre Urlaubsflüge in den nächsten Monaten bangen, kommen doch die Erinnerungen an all die Flüge ans Mittelmeer und auf die Kanaren hoch, die man mit airberlin erlebt hat und in manchen Fällen lieber hätte vergessen wollen. Man kann den Reisenden wirklich nur die Daumen drücken, dass alle Flüge wie geplant stattfinden. Die Bundesregierung steht dafür ja derzeit mit 150 Millionen Euro gerade.

Aber es ist Zeit, die Vergangenheit hinter sich zu lassen. Die Süddeutsche bringt es auf den Punkt: Die Fluggesellschaft habe anderen, gesünderen und besser geführten Konkurrenten den Platz weggenommen. Seien es Ryanair, der Billigheimer aus Irland, Easyjet, Eurowings und all die anderen Billigflieger, die über unseren Köpfen unterwegs. Wenn diese Konkurrenten weiterhin für lebendigen Wettbewerb sorgen, die Kunden etwas weniger frustrieren und zudem noch besser ans Ziel bringen, hätte die Insolvenz von airberlin der Fluggesellschaften-Landschaft wirklich einen gefallen getan. Aber wie geht es weiter – verschwindet die Airline jetzt einfach?

„nonstop Kanada im Mai 2018“: airberlin ist tot, es lebe airberlin!

Wer auf der Website der airline landet und noch nicht von der Insolvenz des Unternehmens gehört hat, wird es dort auch nicht erfahren. Als wäre nichts gewesen, werden dort weiterhin Flüge angeboten. Man scheint sich also ziemlich sicher zu sein, dass der Betrieb wie gehabt weitergeht. Die Aufstockung des Nordamerika-Kontigents von airberlin wird auf der Seite weiterhin ganz normal beworben: „nonstop nach Kanada ab Mai 2018“. Aber wird es airberlin im Mai 2018 überhaupt noch geben? Das ist aktuell mehr als fraglich. Denn momentan schaut es nach einem Bieterwettkampf um die Unternehmensteile aus, an deren Ende es die Marke airberlin wohlmöglich nicht mehr geben wird. Wer dann die gebuchten Flüge durchführt, steht momentan erst einmal in den Sternen.

Wenn eine Einigung erzielt wird, dürften die gebuchten Flüge vom neuen Besitzer durchgeführt werden. Denn immerhin gibt es reichlich Interessenten: Aktuell zeichnet sich ab, dass die Lufthansa und weitere Konkurrenten von airberlin wie Easyjet um das Unternehmen und seine österreichische Tochter Niki buhlen. Die deutsche Politik macht sich aktuell für eine innerdeutsche Lösung mit der Lufthansa stark. Deutlich spricht man sich aktuell für eine Übernahme der airberlin durch Lufthansa aus. „Wir brauchen einen deutschen Champion im internationalen Luftverkehr. Deswegen ist es dringend geboten, dass Lufthansa wesentliche Teile von Air Berlin übernehmen kann“, wird Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt in der Rheinischen Post und auf finanzen.net zitiert. Insgesamt könnt die Lufthansa 90 Jets von airberlin und Niki übernehmen und beispielsweise in der eigenen Billigtochter Eurowings eingliedern. Andere Quellen sprechen von maximal 70 Flugzeugen aus den Beständen der Berliner, die an den neuen Besitzer gehen könnten.

Dann würden alle, die „nonstop Kanada im Mai 2018“ buchen, wohl mit der Lufthansa in den wohlverdienten Urlaub fliegen. Aber das ist zu diesem Zeitpunkt noch Spekulation. Nach einer Übernahme von airberlin würde die Lufthansa in ihrem Konzern über 95 Prozent aller innerdeutschen Flüge durchführen. Das könnte wettbewerbsrechtliche Probleme bedeuten, denn die Lufthansa hätte dann quasi Monopol und könnte die Flugpreise entsprechend anheben. Bleibt also abzuwarten, welcher der Konkurrenten sich airberlin in den nächsten Wochen einverleibt oder ob das Unternehmen vielleicht zerlegt wird. Die Flieger mit dem rotweißen Logo und die roten Schokoherzen von Lindt werden wohl in jedem Fall in den nächsten Monaten von der Bildfläche verschwinden. Letztere waren in Kombination mit dem bezaubernden Lächeln einer Stewardess immer das Ass im Ärmel von airberlin, um auch die frustriertesten Fluggäste wieder ein wenig wohlgesonnener zu stimmen. Aber vielleicht wird unter einem neuen Herrscher ja in Zukunft alles besser? Man soll die Hoffnung ja nie aufgeben.

Fluggesellschaften kommen und gehen

Der Niedergang von airberlin ging direkt mit dem Aufstieg der Billig-Airlines Ryanair und Easyjet, die als direkte Konkurrenten der zweitgrößten deutschen Airline ordentlich zugesetzt haben. Blickt man auf die Fluggesellschaften in den letzten Jahrzehnten zurück, gab es immer wieder Pleiten und Wechsel. Eines der prominentesten Beispiele war international die PanAm, die in den 60er und 70er Jahren geradezu Kultstatus hatte und irgendwann sang und klanglos einfach verschwand. Andere hatten einfach riesiges Pech: Bei Malaysia Airlines setzte der Niedergang mit dem Verschwinden von Flug MH370 ein. Das verschollene Flugzeug wurde bis heute nicht gefunden. Wenige Monate später wurde eine zweite Maschine der Airline über der Ukraine von einer Rakete abgeschossen – dies besiegelte wohl endgültig den Sinkflug der Gesellschaft, die allerdings nach wie vor fliegt. Der Passagier-Luftfahrtmarkt ist hart umgekämpft und man darf wohl gespannt sein, welche Entwicklungen die Branche in den nächsten Jahren nimmt.

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18. August 2017

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