Studie zu Pendlern: Immer häufiger und länger unterwegs

Immer mehr Deutsche fahren immer länger zur Arbeit. Foto: Pixabay

Pendeln kann wirklich anstrengend sein: Wer täglich eine halbe Stunde oder länger mit dem Auto zur Arbeit fährt, muss unter Umständen Gefahren für die Gesundheit in Kauf nehmen. Staus und Rüpel auf den Straßen machen Vielfahrern das Leben schwer. Außerdem ist das hin- und herfahren schädlich für die Umwelt. Eine Studie legt nahe, dass die Zahl der Pendller in Deutschland weiter wächst – und mit ihnen die Strecken, die sie zurücklegen.

Als Pendler gilt, wer die Grenzen seines Wohnorts verlässt und in einen anderen Ort fährt, um dort zu arbeiten oder eine Ausbildung zu machen. Das ist die allgemeine Definition für einen Pendler. Dass Pendeln nicht gerade förderlich für die Gesundheit und die Umwelt ist, legen diverse Studien mittlerweile nahe. Und dennoch geht aus einer Untersuchung des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) hervor, dass immer mehr Menschen in Deutschland pendeln. Einer der wichtigsten Gründe, warum Menschen zum Arbeitsplatz hin und her fahren, sind die hohen und immer weiter steigenden Preise für Mieten und Immobilien. Hinzu komme die sich in den Ballungsräumen immer weiter verbessernde Beschäftigungssituation, berichtet der Thomas Pütz, ein Experte des BBSR gegenüber der dpa. Die Gesamtanzahl der Pendler stieg in 2016 auf satte 18,4 Millionen gegenüber 18 Millionen in 2015. Die durchschnittliche Pendelstrecke stieg von 14,59 Kilometern im Durchschnitt auf 16,91 Kilometer 2016. Immer mehr Menschen fahren also immer länger mit dem Auto, um zu ihrem Job zu gelangen.

Studie: Auswertung von Pendelverhalten

Die Auswertung des BBSR bezieht sich auf den Zeitraum vom Jahr 2000 bis 2015 und stellt einen Anstieg der Pendler in Deutschland auf knapp unter 60 Prozent fest. Gezählt wurden hierfür Arbeitnehmer. Das heißt unterm Strich, dass mehr als die Hälfte der sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer in Deutschland zu ihrem Arbeitsplatz pendeln. Und damit mutmaßlich Strapazen für Wohlbefinden und Gesundheit auf sich nehmen. Aber die Effekte des Pendelns sind deutlich differenzierte zu betrachten: Denn ganz nüchtern gesehen hat der Anstieg an Pendlern sowohl Positives als auch Negatives an sich. „Insbesondere die Umlandkommunen profitieren vom Wachstum der wirtschaftsstarken Großstädte“, erklärt BBSR-Direktor Harald Herrmann. Die Menschen pendeln in die Großstädte, weil dort die Beschäftigungssituation sehr gut ist. Mehr und gut bezahlte Jobs warten auf sie. Dementsprechend deutlich ist auch, wo am meisten gependelt wird: In den wirtschaftlichen Wachstumsregionen. München ist bei Pendlern der Spitzenreiter. Die Zahl der Pendler stieg hier auf 355.000 bei einem Plus von 21 Prozent seit dem Jahr 2000. Aber auch Frankfurt am Main ist gut dabei: Dort pendelten 348.000 bei einem Anstieg von 14 Prozent. Den größten Zuwachs erreichte Berlin mit sagenhaften 53 Prozent mehr Pendlern.

Viele negative Auswirkungen durch Pendeln

Pendlern ist nicht gerade gesund. Das kann sich jeder auch so denken, der schon einmal tagtäglich mit dem Auto zur Arbeit gefahren ist oder in der Rushhour in einer deutschen Großstadt unterwegs war. Da findet das alltägliche Stau-Chaos statt: Es wird gedrängelt, gehupt und der Verkehr bewegt sich nur im Schneckentempo vorwärts. Dementsprechend negativ sind auch viele Auswirkungen des Pendelns: “Es hat auch Nebenwirkungen, dass immer mehr Beschäftigte außerhalb wohnen. Der Flächenverbrauch und die Verkehrsbelastung steigen. Deshalb ist es wichtig, dass die Infrastruktur mit dem Wachstum Schritt hält und das Umland gut an den öffentlichen Nahverkehr angebunden bleibt“, so Direktor Herrmann.

Das klingt vor allem nach guten Absichtsbekundungen und hat mit dem Alltag von Millionen von Menschen offensichtlich erst einmal wenig gemein. Denn tagtäglich am meisten betroffen sind natürlich die Pendler selbst. Die langen Fahrtdistanzen haben erwiesenermaßen negative Einflüsse auf das Wohlbefinden und erzeugen sogar Krankheitssymptome. Die Linke-Bundestagsabgeordnete Sabine Zimmermann beschreibt das Problem in einem Artikel der FAZ recht treffend: „Der Preis der erhöhten Mobilität ist zunehmender Stress, insbesondere bei den so genannten Fernpendlern, bis hin zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen.“ Aber das ist tatsächlich nur die eine Seite der Medaille.

Autobahn: Nicht alle Pendler stresst die tägliche Fahrerei. Foto: Pixabay

Die Ursachen für das Pendeln

Offensichtlich werden von vielen Menschen die Folgen des Pendelns in Kauf genommen. Denn wenn doch alle Wissen, dass Pendeln stresst und krank machen kann, bleibt natürlich die Frage: Warum Pendeln dennoch immer mehr Menschen? Das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung in Wiesbaden hat sich mit dieser Frage intensiv beschäftigt und glaubt, die Ursachen erkannt zu haben. Ebenso wie das BBSR sehen auch die Forscher des BiB die steigende Beschäftigung in Deutschland als Auslöser für den weiteren Anstieg des Pendelns. Denn mit dieser steigt auch die Zahl der Doppelverdienerhaushalte. Dr. Heiko Rüger vom BiB erkennt den Hauptgrund für das Pendeln sodann darin, dass Ehepaare entsprechend das Problem hätten, zwei passende Jobs am gleichen Wohnort zu finden. Wenn das nicht gelingt, beginnt einer von beiden zu pendeln. Betroffen seien Männer und Frauen gleichermaßen, wobei Männer weitere Strecken zurücklegten, so das BiB. Das Betreffe auch die jüngeren Berufstätigen aus der Generation Y, also der Jahrgänge zwischen 1980 und 1999. Auch hier gebe es ein hohes Maß an Mobilität und die Bereitschaft zum Pendeln. Ist also bald ganz Deutschland auf den Straßen und verspielt im Verkehr seine Gesundheit?

Die Folgen: Es gibt auch glückliche Pendler!

In Deutschland gibt es tagtäglich eine kleine Völkerwanderung. Und damit stehen wir in Europa und weltweit nicht allein da. Auch in anderen hochentwickelten Volkswirtschaften legen die Menschen ein ähnliches Verhalten an den Tag. Das BiB sieht in der Zunahme in Deutschland eine große Belastung für die Pendler: „Untersuchungen des BiB zeigten, dass rund 40 Prozent der Fernpendler mit einer Fahrzeit von einer Stunde und länger stärker unter Stress litten. Allerdings bedeute dies auch, dass 60 Prozent dies keineswegs so empfinden“, berichtet das Institut. Offensichtlich gebe es viele Menschen, die lange Fahrzeiten in Kauf nähmen und dennoch entspannt blieben – beispielsweise, weil sie unsere Stau-Tipps beachten. „Wie glücklich ein Pendlerleben von den Betroffenen empfunden wird, hängt letztlich davon ab, ob man die für sich selbst beste Variante des Pendelns gefunden hat – und ob man das Pendeln aus freien Stücken gewählt hat“ betont Dr. Rüger vom BiB. Wer aus freien Stücken pendele, empfinde das hin- und herfahren als weniger belastend. Dennoch gibt der Wissenschaftler den Tipp: Pendler sollten regelmäßig prüfen, ob ein Umzug nicht doch die bessere Wahl sei.

Merken

20. September 2017

4969 Aufrufe

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert